fsfe-de
[Top][All Lists]
Advanced

[Date Prev][Date Next][Thread Prev][Thread Next][Date Index][Thread Index]

Re: Doppellizensierung, Kommerz und Freie Software


From: Bernhard Reiter
Subject: Re: Doppellizensierung, Kommerz und Freie Software
Date: Thu, 7 Aug 2003 17:25:30 +0200
User-agent: Mutt/1.5.0-gpgme-030408

Hallo Bernhard, :)

erstmal danke für Deinen Beitrag zu diesem interessanten Thema.
Ich werde erstmal auf ein paar Aspekte eingehen.


On Thu, Aug 07, 2003 at 02:45:14PM +0200, Bernhard Kaindl wrote:
> ich möchte zuerst klarstellen, dass ich nicht für MySQL arbeite,
> aber ich arbeite im Bereich der Linux-Distriubutoren und habe nicht
> nur daher eine andere Sicht auf die Dinge.

Nun da ich auch im kommerziellen Bereich 
für Freie Software und GNU/Linux arbeite, 
sehe ich das nicht als gute Erklärung für eine andere Sicht an. 

Um das nochmals deutlich zu schreiben: 
Die kommerzielle Anwendung Freier Software zu fördern 
liegt sehr in meinem Interesse.
(Genau, wie seid Jahren bekannt, in dem der FSF.)

> Zu:
> http://www.pro-linux.de/cgi-bin/NB2/nb2.cgi?send-edit.5812.3010.21002810032.
> 
> > Sofern MySQL den Klienten Wert bringt, sollten diese den Wert in eigenem
> > Interesse auch für eine Freie Software bezahlen.
> 
> Natürlich sollten sie in eigenem Interesse für freie Software Zahlen, aber
> jede Firma wird sagen: "Wieso ich? Ich kann das Geld für eigene Projekte
> besser benutzen".
> 
> Ich glaube also dass keine Firma freiwillig für eine Software die unter
> LGPL steht, jemand etwas zahlen wird. Jede Firma hat ein Budget, und wenn
> sie keinen "Buisness-Case" darin sieht dafür zu bezahlen wird sie in ihrem
> Budget keinen Posten dafuer machen, ergo kein Geld.

Eine gute Anmerkung von Dir.
Ich sehe ein langfristiges Geschäftsinteresse 
und es ist bereits mehrmals vorgekommen, 
dass verschiedene Unternehmen freiwillig Geld für Freie Software
gezahlt haben, eben weil es im eigenen Interesse steht.

Wie angedeutet habe zur Frage des "eigenen Interesses" schon 
häufiger vorgetragen. Siehe zum Beispiel mein Posting
vom 4. Juni 2002 auf dieser Liste über meinen Artikel
        "Arbeitsteilung und Massenmarkt"
        http://mail.gnu.org/archive/html/fsfe-de/2002-06/msg00002.html
Hier gehe ich die Frage allerdings nicht hauptsächlich aus Sicht
der Unternehmen an.

> Ausserdem, an wen sollte eine Firma dieses Geld überweisen wenn die Software
> von der Community von vielen Hunderten programmiert wird. Wie sollte man
> dieses Geld verteilen?

Das ist eine zweite wichtige Frage.
Dieses "zentrale Verteilungsproblem" geht einher mit dem Problem 
der Festlegung eines Ziels, welches dann auch zentral Erfolgen müßte
und viele andere theoretische Modelle zum Teilen der Kosten 
für Freie Software Entwicklung in der Praxis sehr schwierig macht.

Deshalb glaube ich an eine Vernetzung von Kleinzahlungen.
Die Zahlungen sollten an den gehen, welcher aus Sicht des
Zahlendenden am meisten für den Nutzen für ihn beigetragen hat.
Teilweise müssen dafür erst grundlegend neue Modelle entwickelt werden.

Konkret gebe ich z.B. die Faustregel raus, dass etwa 10% der Summe,
welche ich für eine funktional vergleichbare proprietäre Software
and Lizenzkosten gezahlt hätte, für einen Kleinnutzer angebracht wären.
Also beispielsweise wenn Du GnuPG verwendest
wäre eine Bezahlung von g10code über
die "Betreuungspunkte" ://www.g10code.de/products.html sicherlich angebracht, 
über die Summe, welche Du für PGP zahlen hättest müssen.

> Ich würde dafür natuerlich die FSF vorschlagen, aber sollte es die FSF
> sein, oder die FSF-Europe, oder die FSF-Germany - wem gehört das Geld
> und wie soll es verwendet werden?

Die FSFE arbeitet auf einem langfristen Niveau mit Blickwinkel auf Politik.
Spenden sind sehr wichtig für diese politische Arbeit,
welche die Grundbedingungen für technische Entwicklungen erst sichert.
Wenn es um die konkrete technische Weiterentwicklung einer Komponente geht,
dann ist die FSFE als gemeinnützige Organisation nicht erste Wahl 
als Geldempfänger. Schliesslich ist das eine Dienstleistung.

> > Selbstverständlich ist es ein begrüßendswerter Fortschritt, wenn von einer
> > nicht-freien Software nun eine GNU GPL Version als Zweitlizenz hinzukommt.
> 
> Klar, ein weiters gutes Beispiel neben Qt ist Coin3D, es ist das Produkt
> von sehr vielen Mannjahren, und ist jetzt auch unter GPL als Zweitlizenz
> releast: http://www.coin3d.org/

Coin3d ist mir bekannt, 
hier weiss ich über die Hintergründe nicht zuviel.

> Der Vorteil für Qt/Coint3D ist, dass die Software, die kommerziell
> entwickelt wird, durch die Veröffentlichung unter der GPL, User/Tester
> im Open Source-Bereich bekommt, was gut für Open Source ist und gut
> für die Firma, da sie die Möglichkeit hat, Tester zu bekommen auf
> die sie sonst keinen Zugriff hätte.

Hier sei angemerkt,
dass es auch kommerziell entwickelte Freie Software gibt.
Die Leistung der Nutzer und Tester geht zum einem Teil 
in proprietäre Software ein und das möchte nicht jeder,
schon weil dadurch freundlichere kommerzielle Freie Software Modelle
auf dem gleichen Gebiet behindert werden. 
Das 3D-Feld ist für dieses Phänomen bekannt.

> Aber ich meine es gibt zwei Arten von Free Software/Open Source Projekten:
> 
> a) Projekte wie der Linux Kernel oder Gnome die von hunderten/tausenden
>    entwicklern vorangetrieben werden, wo zwar kommerzielle Firmen auch
>    ihren Beitrag liefern, aber wo man sagen kann das das Projekt keineswegs
>    nur von einer Firma vorangetrieben wird.
> 
> b) Projekte wie Qt, Coin3D und SAP DB
> 
>    Das sind eigentlich kommerzielle Projekte, die, auch wenn sie unter
>    einer freien Lizenz stehen, trotzdem von der Art der Entwicklung
>    kommerzielle Projekte sind.

Die Frage ist, ob b) nicht die Entwicklung 
von kommerziellen Projekten nach Typ a) 
mit mehreren Unternehmen eher behindert 
und damit eine schnellere Entwicklung hin zu mehr Freiheit.
Deshalb sehe ich die genannten Projekte als Nachteil an.

Es gibt aber durchaus Unternehmen (von Natur aus kommerziell)
welche ihre Entwicklung nicht unter eine Doppellizenz stellen.
Das klassische Beispiel ist der GNU Ada Übersetzer.
Die Entwicklung ist dann trotzdem kommerziell.

> Das heisst nicht, dass das Modell von Qt besser ist als Gnome, es stecken
> aber grundverschiedene Entwicklungsmodelle dahinter.

Gern würde ich trennen zwischen Entwicklungsmodellen und Finanzierungsmodellen.
Dir ging es oben eigentlich um verschiedene Finanzierungsmodelle, 
wobei das von Trolltech und System in Motion auf proprietäre Software setzt
und, wie Du selbst auch zu gibst, damit ebenfalls Schwierigkeiten 
für die Weiterentwicklung der Freien Software schafft.

Wir sollten gemeinsam helfen die Finanzierungsmodelle als Gegenvision 
aufzubauen, welche keine proprietäre Software benötigen.
Volkwirtschaftlich und damit auch früher oder später betriebswirtschaftlich 
macht das großen Sinn.

> Aber bei SAP DB war auch klar, dass, 
> weil es keine freien Programmierer fuer die SAP DB gibt
> und sich niemand, der den Code nicht kennt damit wird abgeben wollen,
> ist es für mich voellig aussichtslos dass sicht die SAP DB von der
> Free Software Community übernommen wird und Entwicklung dafür gestartet
> wird. SAP DB wird von seiner Geschichte her auch nur im kommerziellen
> Umfeld benutzt und welcher freie SQL-Datenbankentwickler wird von
> Postgres/MySQL zur SAP DB schwenken wenn es bei dem eigenen Projekt
> viel mehr Entwickler gibt. Die anderen Alternativen leben und SAP
> DB ist meiner Meinung nach als Free Software einfach tot. Um es
> wieder zum leben zu erwecken müsste sich eine Firma, die die Möglichkeit
> hat, SAP DB kommerziell zu verkaufen und damit Entwicklung zu bezahlen,
> der Sache annehmen und genau das scheint zu passieren.

Mit der Vermischung von "kommerziell" und proprietär in dem 
obigen Absatz, bin ich nicht einverstanden. 
Seriöse Studien schätzen, dass 50% der Entwicklung Freier Software
in bekannter, bezahlter Arbeitszeit geschieht, also kommerziell.
Es gibt Unternehmen, welche die SAP DB under GNU GPL kommerziell einsetzen, 
abgesehen von SAP. Natürlich werden die Entwickler, welche bisher
PostgreSQL einsetzen auf SAP DB migrieren, wenn es für die Vorteile bringt.
Es dauert nur seine Zeit, weiterhin
hat SAP laut eines Kommentars auf Pro-Linux auch bisher nicht leicht
gemacht Kode beizusteuern.

Hier wird sichtlichbar, dass ein guter Entscheider bei der Auswahl
eines Produkt auch die Qualität der Gemeinschaft (bestehend aus
kommerziellen und nicht-kommerziellen Teilnehmern) mit einbeziehen wird 
und hier haben ehemals proprietäre Produkte oft einen großen Nachteil.

> Ich muss sagen dass ich SAP DB nicht genau recheriert habe, aber
> das ist die Sicht die ich habe, wenn ich mit den Informationen die
> ich aktuell habe, auf die Sache schaue.

Bis ins Details habe ich das auch nicht recherchiert.
Meine Bemerkungen sollten auch über diesen Einzelfall hinausgehen.
Aus meiner Sicht ist die angekündigte Doppellizensierung von SAP DB
ein strategischer Fehler von SAP und langfristig von Nachteil
für Freie Software insgesamt.


Gruß,
        Bernhard

Attachment: pgpb67I0Mtiau.pgp
Description: PGP signature


reply via email to

[Prev in Thread] Current Thread [Next in Thread]